Gerichtsverwertbare Datenaufzeichnung im Straßenverkehr

Gerichtsverwertbare Datenaufzeichnung im Straßenverkehr

 

Video, GPS, NAVI & Co

 

Aktueller Ausblick auf die Verwertbarkeit von digitalen Daten im Straßenverkehr

 

Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen zum Straßenverkehr ist die Beweisführung für die Beteiligten oft nur sehr schwierig zu führen. So ist die Zeugenaussage wohl das häufigste Beweismittel, um den zugrunde liegenden Sachverhalt wahrheitsgemäß zu ermitteln. Nur hat dieses Beweismittel aus der Natur der Sache seine menschlichen Schwächen und steht auch oftmals nicht zur Verfügung. Auch ein Sachverständigengutachten kann oft den Sachverhalt mit der notwendigen Bestimmtheit nicht aufklären. Nicht zuletzt deshalb bedienen sich die Verkehrsteilnehmer selbst technischer Hilfsmittel, die das Anfertigen von Bild- und Videoaufzeichnungen im Straßenverkehr aus dem Pkw ermöglichen. Auch die Pkw-Hersteller lassen bei dem aktuellen Stand der Technik die sich hieraus ergebene Möglichkeit nicht ungenutzt, zahlreiche Daten über den Pkw im Straßenverkehr aufzuzeichnen. Jedem bekannt und regelmäßig auch verwertbar sind die polizeilichen bzw. ordnungsbehördlich veranlassten Aufzeichnungen zur Geschwindigkeitsfeststellung und/oder Abstandsmessung. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt, dass personenbezogene Daten und deren Verwendung das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung betreffen. Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen. Das Bundesverfassungsgericht hat auf diese Persönlichkeitsrechte des Straßenverkehrsteilnehmers wiederholt hingewiesen. Dieses Recht findet seine Schranken nur in einem auf gesetzlicher Grundlage definierten überwiegenden Allgemeininteresse unter Beachtung der gebotenen Verhältnismäßigkeit.

Das Bundesdatenschutzgesetz ist eine Ausprägung dieses Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und seiner Schranken.

Auch wenn die Sensibilität zum allgemeinen Datenschutz und der Wahrung der eigenen Persönlichkeitsrechte in der Bevölkerung derzeit nicht sehr ausgeprägt scheint, wie aus der wachsenden Teilhabe an den sozialen Netzwerken geschlossen werden kann, lassen zwei aktuelle Entscheidungen deutscher Gerichte die Prägnanz einer notwendig gebotenen Regelung erkennen, die den Gebrauch der Datenerfassung und deren Verwendung transparent aber auch verbindlich regelt.

So hat das Landgericht Köln im Mai 2016 einen Pkw-Fahrer des fahrlässigen Totschlags an einem Radfahrer für schuldig befunden. Das Gericht konnte lediglich anhand der der Staatsanwaltschaft vom Hersteller zur Verfügung gestellten Daten rekonstruieren, ob der Angeklagte sich zur Tatzeit am Tatort befunden hat. Nur anhand dieser beim Gebrauch des Pkws erfassten Nutzerdaten führten diese letztlich zur Verurteilung. Ob die Verwertung dieser Daten zulässig erfolgt ist, ist fraglich und wird sich zeigen. Der Angeklagte, in seinen allgemeinen Persönlichkeitsrechten betroffen, hat auf sein Recht der informationellen Selbstbestimmung nicht verzichtet. Weder unmittelbar durch eine gleichlautende Erklärung noch konkludent bei Abschluss des Überlassungsvertrages zum genutzten Pkw. Dennoch aber sah sich das Landgericht nicht gehindert, die erfassten Daten als Beweismittel zu verwerten.

Dass letztlich wohl nur durch eine solche Verwertung dieser Beweismittel die Schuld des Angeklagten festgestellt werden konnte, ist nur dann noch verhältnismäßig, wenn dies durch eine gesetzliche Regelung abgedeckt ist.

In einer weiteren aktuellen Entscheidung hat nun das Oberlandesgericht Stuttgart die Verwertung einer privat gefertigten Videoaufnahme im Verkehrs-Bußgeldverfahren als zulässiges Beweismittel akzeptiert.

Bisher wurde bereits der Betrieb einer solchen Dashcam und deren Datenaufzeichnung beanstandet. So hat das Verwaltungsgericht Ansbach noch in 2014 wegen eines Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz den Betrieb einer solchen Dashcam untersagt, da eine verdachtsunabhängige Aufzeichnung das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung der informationellen Selbstbestimmung zumindest solange verletzt, wie es an einer gesetzlichen Regelung hierzu fehlt.

Nun aber hat sich in der Praxis gezeigt, dass ein Beweis zuletzt nur noch durch eine solch gefertigte Aufzeichnung geführt werden konnte. Nun aber ist entsprechend der bisherigen Rechtsprechung und insbesondere wegen des Fehlens einer gesetzlichen Regelung eine solche Aufnahme nicht als Beweismittel verwertbar. Gleichwohl hat nun auch ein Oberlandesgericht ein Beweisverwertungsverbot im Rahmen einer Interessenabwägung abgelehnt. Nur kennt weder das Grundgesetz noch das Datenschutzgesetz eine solche Interessenabwägung im Einzelfall, die ohnehin eine gebotene Normenklarheit fehlen lässt.

Im Ergebnis des sich abzeichnenden Trends in der Rechtsprechung ist der Betrieb einer Dashcam künftig tendenziell wohl ebenso möglich, wie die ferner ebenso nicht unproblematische Datenaufzeichnung der Pkw-Hersteller, gleich aus welchen Gründen dies erfolgen soll.

Spätestens in einem anstehenden Gerichtsverfahren wird jeder Betroffene gut beraten sein, solche Datenaufzeichnungen und deren Verwendung kritisch zu hinterfragen. Derzeit lässt sich trotz der eigentlich klaren gesetzlichen Bestimmung nach dem Datenschutzgesetz nicht ausschließen, dass der Bürger selbst auf solche Daten zu Beweiszwecken angewiesen sein wird und dies dann auch verwendet.

Ob nun im Rahmen einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung aufgrund eines streitigen Verkehrsunfallereignisses oder aber eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahrens wird dem Beweisverwertungsverbot eine gesteigerte Bedeutung zukommen, die es rechtzeitig zu erkenn und zu beachten gilt.

Jena, Juni 2017

 

 

Fischer, RA